4 Essays für Synthesizer

Entstehungsgeschichte und Kritiken

Die vier Stücke sind das Resultat einer Auftragskomposition des Stadttheaters Gießen für einen Tanzabend im Oktober 1991.

Thema dieses Tanzabends war das Leben Franz Schuberts, mit dem sich der Choreograph unter vier zentralen Aspekten auseinandergesetzt hat: Geburt - Arbeit - Liebe - Tod.

Die musikalische Folie dazu lieferte die live gespielte viersätzige Sonate a-Moll, op. 42 von Franz Schubert. Meine Aufgabe war es, vor jeden der vier Sätze eine synthetische, vom Band einzuspielende Musik herzustellen, die auf die vier vom Choreographen vorgegebenen thematischen Aspekten aus Schuberts Leben bzw. seiner Musik Bezug nimmt:

1. Geburt

GENESIS: Aus Geräusch wird Musik (geboren), die schließlich zu zum 1. Satz der Schubert-Sonate überleitet.

2. Arbeit

RUBATO: Eine Komposition über den Kompositionsvorgang selbst:

Zunächst eine "Modulation" von A (dem Ende des 1. Satzes) nach G (dem Orgelpunkt, der fast 30 Takte lang über oder unter dem Variations-Thema des 2. Satzes liegt. Diese "Modulation" ist allerdings keine herkömmliche diatonische oder chromatische Modulation, sondern eine mikrotonale. Gleichzeitig wird die Taktart des 2. Satzes (3/8) akustisch hergestellt, ebenfalls auf minimalistische Art.

Danach wird ein punktiertes Motiv, rhythmisch eine Abspaltung aus dem Schubertschen Variations-Thema, quasi totgeritten (gleichfalls in minimalistischer Manier).

3. Liebe

TIMBRI: Liebesfreud und Liebesleid als permanentes Schwanken zwischen Dur- und Mollflächen. Am Ende schält sich daraus das populäre Seitenthema aus dem 1. Satz von Schuberts "Unvollendeter".

4. Tod

RECITATIVO INVANO: Cluster und leere Quart für Schmerz und Einsamkeit. Nach einer vergeblichen Klage wird die Musik vom Geräusch verschluckt. (In diesem Stück gibt es keine motivisch-thematischen Bezüge mehr zu Schuberts Musik.)

Die "4 Essays für Synthesizer" sind als kompositorisch eigenständige Stücke konzipiert, die auch vollkommen losgelöst vom Bezug zu Franz Schubert ihre volle Wirkung entfalten. Jedes Essay steht allein für sich und bedarf eigentlich auch keiner programmatischen oder musikwissenschaftlichen Erklärung. Diese sind zwar erhellend, aber keineswegs eine conditio sine qua non.

Hört man alle vier Essays im Zusammenhang, empfiehlt es sich allerdings, die vorgegebene Reihenfolge einzuhalten.

Herbert Gietzen

Kritiken zu den "4 Essays für Synthesizer":

Der GIESSENER ANZEIGER schrieb am 29.10.1991:

...gibt es keine Brüche zwischen den einzelnen Sätzen der Schubert-Sonate, sonder ein- und überleitende Passagen von Synthesizermusik, die Herbert Gietzen komponiert hat. Gietzens Gestus ist dabei von minimalistischer Bescheidenheit, intellektueller Prägnanz und dezidierter Klarheit im Zugriff auf Effekte geprägt. Er verwendet Schubertsches Material, verfremdet es und reichert es absichtsvoll an.

Hans-Jürgen Linke

Die GIESSENER ALLGEMEINE schrieb am 29.10.1991:

Gietzen hat die suggestiven Klänge aus dem Computer spannungsreich miteinander verwoben, indem er die Möglichkeiten des Synthesizers ausschöpft, wie man sie -ähnlich lähmend auf die Physis einwirkend- vielleicht noch mit Pink Floyd vergleichen kann.

Olga Ruckelshausen-Weckler

Die WETZLARER NEUE ZEITUNG schrieb am 29.10.1991:

... Geräusche voller Assoziationen und Emotionen, die auch die triste, hoffnungslose Grundstimmung in Schuberts Werk reflektieren.

Peter Merck

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