Kritiken zu OPERA ULTIMATIVA

GIESSENER ALLGEMEINE:
"OPERA ULTIMATIVA" erstmals aufgeführt

Wenn der augenzwinkernde Herzog von Mantua mit der hüftschwingenden Carmen flirtet und Danilo mit seiner lustigen Witwe auf der Flucht vor dem Finanzamt das Geld zählt - dann erlebt das Publikum eine Sternstunde der Opernparodie. So geschehen am Sonntag im Stadttheater, wo beim Familienkonzert Herbert Gietzens »Opera ultimativa« uraufgeführt wurde.

Was der designierte Generalmusikdirektor da mit dem philharmonischen Orchester sowie Chor und Solisten dem Publikum servierte - das war nicht nur unterhaltsam, sondern auch ein virtuoses Lehrstück für Opernfreunde und vor allem für solche, die es noch werden wollen.

Gietzen hat aus fünf romantischen Opern und vier klassischen Operetten 16 bekannte Melodien genommen und daraus eine neue siebenminütige Minioper komponiert. Da muss Gilda aus »Rigoletto« miterleben, wie der Schürzenjäger aus Mantua der rassigen Andalusierin Carmen den Hof macht. Playboy Danilo pendelt derweil mit der »Lustigen Witwe« in einer von den Maffiageschwistern Niklaus und Giuletta gesteuerten Gondel durch Venedigs Kanäle und die von ihrer Insel vertriebenen Nabbuccaner stimmen den Gefangenenchor an. Schuld an allem hat wohl nur der Champagner aus der »Fledermaus«, während »Im Land des Lächelns« Alexander, »der einzig wahre Herzog von Gießen« Liebesschwüre schmettert. Und am Ende, da haben sich doch wieder alle lieb, liegen sich in den Armen und es ist ein »Herzen, Küssen und Kosen«. Nur den schwarzgekleideten Skandalregisseur (gespielt von Harald Pfeiffer), der das alles zur skandalösen »Opera ultimativa« zusammenfassen will, nicht: Ihn werfen die Sängerinnen und Sänger am Ende hochkant von der Bühne.

Während sich der Schöpfer der Parodie, Herbert Gietzen, am Dirigentenpult rein um die Musik kümmerte, ließ Christian Steinbock mit launiger Moderation die Entstehung des Werkes nachvollziehbar werden. Und wer den Überblick verlor, dem halfen die von Schülern im Hintergrund der Bühne hoch gehaltenen Pappschilder mit jeweiligem Originaltitel und -stück. Erst wurden die jeweiligen Originalarien gesungen, dann wurde das Ganze aktweise zur Parodie neu gemixt. Eine Mischung, die offenbar nicht nur beim Publikum bestens ankam, sondern auch bei den Akteuren auf der Bühne. Mezzosopranistin Merit Ostermann (vom Staatstheater Wiesbaden) brillierte als trotzig-resolute Carmen mit aufreizendem Hüftschwung, Sopranistin Carla Maffioletti brach als Gilda mit zwitschernden Höhen so manches Herz und Tenor Catalin Mustata zeigte mit baggerndem Augenzwinkern ungeahntes komödiantisches Talent. Bariton Matthias Ludwig und Sopranistin Odilia Vandercruysse fühlten sich sichtlich wohl in der Rolle der gondelfahrenden Superstars und Matthias Herzog legte mit schmetterndem Tenor und offenkundigem Spaß an Albernheit nicht nur einer Dame in der ersten Zuschauerreihe sein rotes Plüschherz zu Füßen.

Einem schlug an diesem Tag das Herz offenbar besonders kräftig: Herbert Gietzen. Bei seinen wenigen erläuternden Worten zum selbst komponierten Vorspiel zur »Opera ultimativa« war er hörbar außer Puste. Die Uraufführung des eigenen Werks lässt offenbar auch einen altgedienten Kapellmeister nicht kalt. Doch die Nervosität war nicht wirklich nötig. Die »Opera ultimativa«, die man übrigens auch auf CD und DVD im Foyer des Theaters erwerben konnte, hat das Publikum im Sturm erobert. Schade nur, dass beim Familienkonzert fast ausschließlich Erwachsene im Saal saßen. Auch Jüngere hätten ihren »ultimativen Spaß« erlebt - und dabei auch noch etwas gelernt.

Karola Schepp

ELKE HEIDENREICH:

Was ist DAS denn? Eine Opernparodie? Ein Potpourri? Eine neue, moderne Kurzoper? Etwas, das früher Quodlibet hieß? Ach, es ist vor allem eins: ein gigantischer Spaß, eine artistische Meisterleistung - in wenigen Minuten rauschen zweihundert, dreihundert Jahre Oper an uns vorbei, alles kennen wir irgendwie, aber doch nicht so? Alles passt zusammen – Verdis Rigoletto, Bizets Carmen, Mozarts Zauberflöte, und war da nicht gerade Tosca? Nein, das war der Freischütz?! Hui, vorbei, schon sind wir mit Orpheus in der Unterwelt, oder war es Das weiße Rössel, in einer Nacht in Venedig?

Man weiß nicht mehr, was die Ohren hören, was der Kopf denkt, was echt ist, was verändert, aber eines weiß man: dass man so etwas Witziges, Kluges, Gekonntes, so einen Parforceritt durch die Opernmusik noch nie, noch nie gehört hat. Es ist nicht weniger als ein so grandioses wie kurioses Meisterwerk. Viel mehr als eine Parodie: eine wundervolle Hommage an die aberwitzigste aller Kunstformen, an die Oper, in der doch eh nichts stimmt und alles unser Herz erreicht. Dieses Stück müsste jeder Musikfreund hören, kennen, weitergeben, und wer bisher Oper nicht liebte: nach OPERA ULTIMATIVA, „Der langen Opern kurzer Sinn“ (!!!) von Herbert Gietzen ist er süchtig. Danke für diesen fabelhaften Galopp!

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Immer wieder Bravo-Rufe bei Live-Uraufführung der „Opera Ultimativa“ von Herbert Gietzen

Wenn fünf romantische Opern und vier klassische Operetten in sieben Minuten auf die Bühne gebracht werden, fragt sich der geneigte Zuschauer zunächst: kann das überhaupt gut gehen. Muss es nicht zwangsläufig in ein fiasco ultimativo münden, wenn so viel Ränkespiel und musikalisches Material geschichtet, verschachtelt und zusammengefaltet auf engstem Raum aufeinanderprallen? Soll es dem Herzog von Mantua erlaubt sein, seine erotischen Streifzüge plötzlich bis Venedig auszudehnen und dort die Andalusierin Carmen anzutreffen, die sich ebenfalls auf wundersame Weise auf den Markusplatz verirrt hat?

Nach der Live-Uraufführung der Parodie „Opera Ultimativa“ aus der Feder des stellvertretenden Generalmusikdirektors Herbert Gietzen im Gießener Stadttheater muss die Frage mit einem klaren Ja beantwortet, etwaige Zweifel am musiktheatralischen Parforceritt können getrost beiseite gelegt werden. Mit unbändigem Spielwitz des Ensembles, einer hervorragenden Moderation des Dramaturgen Christian Steinbock und einem als extrovertierter Regisseur auftretenden Schauspieler Harald Pfeiffer wurde die Aufführung ein voller Erfolg, der das zahlreich erschienene Publikum immer wieder zu Bravo-Rufen herausforderte. Wenn Elke Heidenreich zur CD-Fassung des parodistischen Opernspektakels schreibt, man hätte „so etwas Witziges, Kluges, Gekonntes noch nie gehört“ und die „Opera Ultimativa“ sei ein „gigantischer Spaß und eine artistische Meisterleistung“, so kann ihr mit dieser Einschränkung nur recht gegeben werden.

Aus den vielen Versatzstücken aus Werken wie Guiseppe Verdis „Rigoletto“ und „Nabucco“, Georges Bizets „Carmen“, Jaques Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“ und „Orpheus in der Unterwelt“ oder Giacomo Puccinis „Turandot“ hat Gietzen ein musikalisch stimmiges Gesamtbild und eine ebenso witzige wie süffisante Neukonzeption der Handlung geschaffen.

Eröffnet wurde der ins Venedig des 17. Jahrhunderts verortete Reigen mit dem Vorspiel der Oper „Carmen“ durch das auf der Bühne platzierte Philharmonische Orchester. Zu den Highlights der insgesamt zwölf Originaltitel aus den verschiedenen Opern gehörten unter anderem die Arie der Gilda aus „Rigoletto“, in der die wie immer hervorragende Carla Maffioletti die Höchstschwierigkeiten mit Bravour meisterte, der Gefangenenchor aus „Nabucco“ oder Alexander Herzogs Interpretation der durch Paul Potts so populär gewordenen Arie „Nessun dorma“ aus „Turandot“. Trotz des eher spielerisch-witzigen Charakters der Gesamtkonzeption ließen es die Protagonisten nicht an Ernsthaftigkeit im Vortrag missen.

Junge Zuhörer ansprechen

Selbstverständlich hatte das Stadttheater die Zuschauer nicht ausschließlich wegen dieser sieben Minuten ins Große Haus gebeten. Bei aller Qualität der hiesigen Aufführungen wären die Reihen in diesem Falle sicherlich leer geblieben. Die „Opera Ultimativa“, in ihrer Grundfassung in der Spielzeit 2008/2009 als Teil der Operette „Die drei Musketiere“ entstanden, bildete lediglich das Grundgerüst und den parodistischen Kern der Aufführung. Um sie gruppiert standen die Arien, Duette und Chöre aus den jeweiligen Opern und Operetten in ihrer Originalfassung im Mittelpunkt. Denn die Veranstaltung sollte nicht nur der Unterhaltung dienen, sondern verfolgte mit ihrem Rundumschlag durch die Operngeschichte ebenso ein didaktisches Ansinnen.

Vor allem jungen Zuhörern soll die Oper nahegebracht werden. Herbert Gietzens Komposition will junge, noch musiktheater-ungeübte Zuhörer dort abholen, wo sie mit den Häppchen klassischer Musik ohnehin in Berührung kommen: in Werbespots und Videoclips, in denen Stücke wie „Nessun dorma“ oder „La donna è mobile“ aus „Rigoletto“ selbst längst zu Klassikern geworden sind. Dem ein oder anderen regelmäßigen Operngänger wird die kleine Nachhilfestunde im Opernrepertoire des 19. Jahrhunderts jedoch ebenso gut getan haben. Die kunstvollen Schilder, die Schüler der Liebigschule angefertigt hatten, halfen sichtlich bei der Orientierung. Wann immer ein Motiv in Gietzens Kurzoper zu hören war, wurde die entsprechende Stelle angezeigt.

Eingebettet in das Education-Projekt, in dem das Stadttheater und örtliche Schulen die Oper in den Blickpunkt gerückt haben, wird die „Opera Ultimativa“ sicherlich auch in Zukunft geneigte Zuhörer finden und für die Oper begeistern.

Christopher Pramstaller

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